Gefährdungsanalyse Psychischer Belastungen (GPB)

Von Benjamin Koch und Therese Papperitz

 

Die heutige Arbeitswelt ist einem Wandel unterworfen. Psychischen Anforderungen an die Mitarbeiter und Unternehemer steigen kontinuierlich. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Nach der Bundesanstalt für Arbeitsschutz ist dieser Bedeutungszuwachs psychischer Belastungen der steigenden Entwicklung des Dienstleistungsbereiches (Tertiärisierung), der Zunahme an Informations- und Kommunikationstechnologie(Informatisierung), der zunehmenden Beschleunigung der Arbeit und den neuen Steuerungsformen zuzuschreiben.  

Aufgrund des beobachteten Zuwachses psyschischer Belastungen wurden diese 2013 in das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) aufgenommen. Dabei ist die Arbeit „so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird“ (§ 4 Nr. 1, ArbSchG).

Die Rahmenbedingungen einer solchen Beurteilung überlässt der Gesetzgeber jedoch den Unternehmen. So wurden nur sehr wenige Vorgaben über die inhaltliche Ausgestaltung und Durchführung einer psychischen Belastungsanalyse formuliert. Zusammen mit Vorurteilen und Wissensdefiziten auf dem Gebiet psychischer Belastung führen die zahlreichen Handlungs- und Durchführungsoptionen einer Gefährdungsbeurteilung bei vielen Unternehmen zu Verunsicherung und zu offenen Fragen in Bezug auf die konkrete und optimale Umsetzung. Aus diesem Grund steht die Klärung folgender offener Fragen zur Gefährdungsanalyse psychischer Belastungen im Mittelpunkt dieses Artikels:

 

  1. Sind Unternehmen dazu verpflichtet, Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durchzuführen?
  2. Wer trägt die Verantwortung für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse?
  3. Wie kann man psychische Belastungen messen?
  4. Wie oft sollte eine solche Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?
  5. Was sind die Konsequenzen einer unterlassenen Gefährdungsbeurteilung?

 

1. Sind Unternehmen dazu verpflichtet, Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durchzuführen?

 

Nach den Änderungen im Arbeitsschutzgesetz von 2013 ist die Arbeit „so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird“ (§ 4 Nr. 1, ArbSchG). Arbeitgeber unterstehen nach dieser Gesetzesänderung der Dokumentationspflicht von Risikobeurteilungen, Präventionsmaßnahmen und Wirksamkeitskontrollen.

 

2. Wer trägt die Verantwortung für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse?

Die Verantwortung für die Durchführung und Dokumentation einer Gefährdungsanalyse psychischer Belastungen obliegt der Führungsebene und dem Betriebsrat eines Unternehmens. Inwieweit Verantwortlichkeit in tiefere Ebenen delegiert werden kann, wurde gesetzlich nicht eingeschränkt. Charakteristische Aufgaben von Führungskräften bestehen in Mitarbeitergesprächen, der Gestaltung von Arbeitsaufgaben, Arbeitsorganisation und Arbeitszeit, sowie der Besprechung individueller Entwicklungsperspektiven und der individuellen (z.B. ergonomischen) Anpassung des Arbeitsplatzes. Außerdem gehören Konfliktlösung und Vermittlung zwischen verschiedenen Ebenen zur Verantwortung von Führungskräften.

 

Des Weiteren initiieren Personalabteilungen in der Regel Seminare und Schulungen zu verschiedenen Themen wie konkreten Konflikten und Belastungen. Darüber hinaus kann die Verantwortung zur Gefährdungsbeurteilung auch auf externe und interne Mediatoren, den Betriebsrat, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Psychologen und Betriebsärzte, verteilt werden. Die breite Streuung der Verantwortung deutet auf die hohe Relevanz der Problematik hin. Die Durchführung ist maßgeblich von der Eigeninitiative eines jeden Mitarbeiters, ungeachtet seiner beruflichen Position, abhängig. So kann jeder Mitarbeiter seinen begründeten Wunsch nach einer psychischen Gefährdungsbeurteilung dem Betriebsrat vortragen und diesen dazu verpflichten, den Forderungen nachzukommen. Essentiell für das erfolgreiche Durchführen einer Gefährdungsanalyse ist die innerbetriebliche Kommunikation und Zusammenarbeit. Alternativ zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durch einen Betriebsarzt, kann diese auch von Psychologen externer Dienstleister – beispielsweise im Rahmen der Einführungen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements – übernommen werden.

 

3.       Wie kann man psychische Belastungen messen?

Je nach gewünschter Analysetiefe existieren diverse Fragebögen und Checklisten zum Screening sowie konkrete Methoden zur Diagnostik psychischer Belastungen. Die internationale Norm DIN EN ISO 100075-3 bietet hierfür eine Grundlage mit Informationen, Prinzipien und Anforderungen für die Messung und Erfassung psychischer Arbeitsbelastung. Faktoren wie die Größe des Unternehmens, die Branche, verfügbare finanzielle Mittel und die gewünschte Analysetiefe beeinflussen Eignung und Wahl des konkreten Verfahrens für ein Unternehmen. Analyseverfahren für die Messung psychischer Belastungen werden in drei verschiedene Präzisionsstufen unterschieden: orientierende Verfahren, Screening-Verfahren und Expertenverfahren bzw. Feinanalysen. Mit steigender Präzision des Analyseinstrumentes können konkretere Interventionsempfehlungen abgeleitet werden. Empfehlenswert hierbei ist es, auf das geschulte Auge und das fundierte Wissen eines Arbeitspsychologen zu vertrauen, da Kompetenzen bei der Durchführung psychologischer Tests, Testdiagnostik und psychologischer Beobachtung von klarem Vorteil sind und die Gefährdungsbeurteilung für alle Beteiligten maßgeblich vereinfachen.

 

 

4. Wie oft sollte eine solche Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?

 

Als das zentrale Element im betrieblichen Arbeitsschutz ist die Gefährdungsbeurteilung die Grundlage für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement.

 

Nach dem Arbeitsschutzgesetz und der Unfallverhütungsvorschrift Grundsätze der Prävention (DGUV Vorschrift 1) sind alle Arbeitgeber unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und dabei zu ermitteln, welche Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 ArbSchG erforderlich sind. Schlussfolgernd sollte die Gefährdungsbeurteilung also keine einmalige Aktion sein, sondern ein kontinuierlicher Prozess im Rahmen des Arbeitsschutzmanagements. Gesetzlich festgeschriebene Zeiträume bis zu einer Wiederholung einer Gefährdungsbeurteilung gibt es in dem Sinne nicht. Dennoch existiert eine Reihe von Ereignissen, die die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung verlangen bzw. eine Neubeurteilung begründen. Relevante Ereignisse für die Beurteilung psychischer Überbeanspruchung sind dabei:

 

  • Erstbeurteilungen an bestehenden Arbeitsplätzen,
  • jede Änderung im Betrieb, die Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten beeinflussen kann, beispielsweise bei der Beschaffung neuer Arbeitsmittel, der Änderung von Arbeitsverfahren und Tätigkeitsabläufen und der Änderung der Arbeitsorganisation,
  • nach dem Auftreten von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und anderen arbeitsbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen.

 

5. Was sind die Konsequenzen einer unterlassenen Gefährdungsbeurteilung?

 

Nach § 21 Abs. 1 ArbSchG ist die Überwachung des Arbeitsschutzes staatliche Aufgabe. Die zuständigen Behörden der Länder und gegebenenfalls der Unfallversicherungsträger haben die Einhaltung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften zu überwachen und die Arbeitgeber bei der Erfüllung ihrer Pflichten zu beraten. Zuwiderhandlungen gegen § 5 ArbSchG fallen nicht unter die Tatbestände, die nach § 25 ArbSchG unmittelbar bußgeldbewehrt sind. Wird von einem Unternehmen trotz der Initiative von Mitarbeitern keine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen, erfolgt zunächst lediglich ein Hinweis auf die Pflicht zur Vornahme. Wird diesem wiederum nicht nachgegangen, kommt es zur Ahndung, da eine Zuwiderhandlung gegen diese vollziehbare Anordnung nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG und unter den Voraussetzungen („Beharrlichkeit“) des § 26 Nr. 1 oder Nr. 2 ArbSchG eine Ordnungswidrigkeit, bzw. eine Straftat ist.

 

Zusammengefasst kann also die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen als zentrales Element der betrieblichen Gesundheitsförderung bezeichnet werden. Um die Leistung und den Ruf eines Unternehmens nachhaltig zu optimieren, muss die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeiter gefördert werden. Präventiv ist es für Arbeitgeber und Vorgesetzte ratsam, besonders auf Arbeitsorganisation, -inhalte, -mittel und -umgebung, sowie auf die sozialen Beziehungen der Angestellten zu achten, um psychische Belastungen zu minimieren. Es empfiehlt sich, für die geplante Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, zu Entlastung aller Beteiligten, das Wissen eines Arbeitspsychologen zu konsultieren. Denn letztendlich trägt ein erfolgreiches betriebliches Gesundheitsmanagement mit einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung zur Attraktivität des Unternehmens bei.

 

 

Verwendete und weiterführende Literatur:

 

 

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2014). Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung - Erfahrungen und Empfehlungen, 1. Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag.

Bamberg, E., Ducki, A. & Metz A.-M. (2011). Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement in der Arbeitswelt. Ein Handbuch. Göttingen: Hogrefe.

Beck, Richter, Ertel & Morschhäuser (2012): Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen in Deutschland. Springer: Prävention und Gesundheitsförderung.

Sonntag, K., Michel, A. & Seiferling, N. (2014). Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (GPB). In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie (17. Aufl., S. 608). Bern: Verlag Hans Huber.

 

Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden
1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin 2012.

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